Bewerbungsrede für die Landesliste

auf dem Landesparteitag der GRÜNEN 14. -16.08.2009

Liebe Freundinnen und Freunde,

Bildungs- und Familienpolitik ist für Eltern das wichtigste Thema bei der Entscheidung, welcher Partei sie bei der Bundestagswahl ihre Stimme geben.

Das besagt jedenfalls eine aktuelle Forsa Umfrage von Anfang dieser Woche. Ich gehe davon aus, dass das Votum auf Landesebene ähnlich wäre.

Wir Grüne sind also auf genau dem richtigen Weg, wenn wir dieses Thema in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen.

Was möchte und was kann ich dazu beitragen?

Für mich ist eine Schule für alle das Ziel, das es zu erreichen gilt. Für mich sind unsere gesellschaftlichen Probleme in der Aufsplittung der Gesellschaft bereits im Schulalltag begründet.

Wir brauchen ein Schulsystem, in dem alle Kinder und Jugendlichen die gleiche Schule besuchen.
In dieser einen Schule legen wir dann die Grundlagen für eine Gesellschaft in der jeder Mensch seinen Platz hat.
Diese Schule muss räumlich und personell gut ausgestattet sein, dann wird sie erfolgreich sein.
Die Folgen des bisherigen Schulsystems erlebe ich an der Schule, an der ich arbeite. Sie ist noch eine kooperative Gesamtschule.  Dort gibt es Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialklassen. Die Hauptschulklassen werden größtenteils als schwierig empfunden und, was ich ganz fatal finde, die SchülerInnen empfinden sich selbst als ‚doof’ und ‚dumm’. Sie bezeichnen sich auch so. Ist es dann ein Wunder, dass sie sich auch so verhalten?

Was für ein Bildungssystem haben wir da aufgebaut, das Menschen mit so einem Selbstbild entlässt?

Wir haben an meiner Schule den Vergleich mit gemischten Klassen in der Orientierungsstufe. Die Lehrkräfte sagen durch die Bank, dass das Arbeiten dort angenehmer und entspannter ist, auch wenn die Anforderungen, jedem einzelnen gerecht zu werden, enorm sind.

Und genau da müssen wir einhaken und unterstützen. Lehrkräfte haben heute oft das Gefühl, mit ihren Problemen und Ideen nicht gehört zu werden zu wenig Freiraum zu haben. Dabei möchten viele Lehrkräfte die Umstrukturierung in den Schulen für einen Neuanfang nutzen.

Sie brauchen dazu gute und ausreichende Fortbildungsangebote, sie brauchen die Möglichkeit, voneinander zu lernen. Offene Türen und gegenseitige Unterrichtsbesuche müssen der Normalfall sein. Sie müssen die Chance haben, neue Methoden anzuwenden.

Gleichzeitig muss es an den Schulen aber ein Qualitätsmanagement geben, denn immer noch gibt es Lehrkräfte, die mit ihrer Arbeit überfordert sind und den SchülerInnen nicht gerecht werden.

Wir müssen auch die Kultur des Miteinander an den Schulen fördern, in der die SchülerInnen in ihrer Persönlichkeit ernst genommen und in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Ein Miteinander auf Augenhöhe ist unbedingt notwendig.
SchülerInnen müssen mitentscheiden dürfen, was sie wann und wie lernen. Selbstbestimmtes Lernen macht mehr  Spaß - und bringt auch mehr Erfolg.

Produzieren, Forschen, Ausprobieren, lange bei einem spannenden Thema Bleiben, wird  zur Schule von morgen dazugehören.

Meine KollegInnen und ich haben in unserer Klasse einen Schritt in Richtung Selbstbestimmung gemacht und an einem Tag in der Woche den 45 Min. Rhythmus und die Einteilung in Fächer  aufgehoben und den SchülerInnen freigestellt, für welches Fach sie wann  arbeiten wollen. Nach einer Eingewöhnungsphase fanden es fast alle SchülerInnen viel besser als vorher – und wir Lehrkräfte hatten Zeit, uns mit denen zu beschäftigen, die Unterstützung oder mehr Anforderung brauchten.

Vergleichsarbeiten aller SchülerInnen eines Jahrgangs zur selben Zeit und mit demselben Inhalt passen dann natürlich überhaupt nicht mehr. Stattdessen gibt es schon heute zentrale Prüfungen, um den Leistungsstand zu messen.

Wir wollen individuelles Lernen. Kein Lernen im Gleichschritt mit 33 Wochenstunden plus Hausaufgaben schon in Klasse 5 und 6.

Wenn Schule mehr zum Lebensraum werden will, muss sie sich auch für das Leben außerhalb öffnen dürfen. Handwerker,  Erzieherinnen, Menschen aus der Wirtschaft, Sozialpädagogen, Psychologen und Lerntherapeuten sollen ihren Platz in der Schule bekommen. Längst nicht alles, was Lehrkräfte heute tun, muss auch zwingend von Lehrkräften erledigt werden.

Der beste Mathelehrer meiner Tochter beispielsweise war ein Tischler. Er konnte ihr am anschaulichsten erklären, wie man Mathe anwendet.

Wir müssen aber auch inhaltlich an den Schulen Veränderungen voranbringen. Natürlich müssen die Lehrpläne entrümpelt werden, um Luft zu schaffen. Luft für das  Thema Nachhaltigkeit in seinen gesamten Facetten.

SchülerInnen und auch Kinder in Kitas müssen umweltbewusstes Verhalten als Selbstverständlichkeit lernen, ohne erhobenen Zeigefinger -  mit konkreten Handlungsmöglichkeiten oder Aktionen.

Ich habe vor einigen Tagen mit Monika eine Kita auf einem Bauspielplatz besucht. Dort haben die Kinder in der Natur gespielt und getobt -   wussten auf der anderen Seite aber auch, behutsam mit ihr umzugehen.

Die Werte, die wir im Kindesalter vermitteln, bleiben oft nachhaltig im Jugend- und Erwachsenenalter verankert. Das ist die Chance für uns alle, das Klimaruder doch noch rumzureißen.

An der Entwicklung der Bildungslandschaft in diese Richtung möchte ich gerne auf landespolitischer Seite mitarbeiten.

Warum, so fragt ihr euch vielleicht, bleibt sie nicht an der Schule, wenn sie ihr doch Spaß macht? Die Frage ist berechtigt. Ich habe sie mir selbst auch gestellt.

In der Kommunalpolitik habe ich Spaß daran gefunden, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und zu versuchen, sie von meinen Ideen zu überzeugen.  Wir haben in Halstenbek beispielsweise in einem jahrelangen Prozess mit breiter Bürgerbeteiligung eine Schule von Klasse 1-10 entwickelt. Wir haben das Grüne Schulkonzept also schon umgesetzt, und ich habe gemerkt, dass ich gestalten möchte, dass ich überzeugen kann und auch den nötigen langen Atem für politische Prozesse habe.

Dann kam das Angebot des Mentoringprogramms für Frauen, durch das ich Einblicke in die Landespolitik erhielt und seitdem bin ich sicher, dass ich die Politik unseres Landes mit gestalten möchte.

Deshalb bin ich zu dem Entschluss gekommen, mich hier und heute zu bewerben. Wenn ich in der Landespolitik aktiv bin, kann ich mehr und grundlegender gestalten. Als Lehrerin kann ich die Rahmenbedingungen nicht verändern, ich muss mit ihnen leben, Politik kann es  - sie muss es sogar tun.

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich unsere öffentlichen Schulen zu Lern – und Lebensorten entwickeln werden. Dann wird auch der Run auf die Privatschulen gebrochen werden.

Wir Grüne sind an diesem Run nicht unerheblich beteiligt. Ich höre von vielen Grünen, dass ihre Kinder auf freie oder dänische Schulen gehen und noch aus dem staatlichen System flüchten. Hier in diesem Raum gibt es bestimmt auch viele.

Meine Kinder zählen übrigens auch dazu.

Gleichzeitig mit der Weiterentwicklung unseres schleswig-holsteinischen Bildungssystems müssen wir meiner Meinung nach die Entwicklung eines bundeseinheitlichen Bildungssystems vorantreiben. 91 % der Eltern fordern dies übrigens in der Forsa Umfrage auch.

Wir rennen also bei den WählerInnen offene Türen ein.

Es ist doch unmöglich, dass einerseits von  Eltern mit ihren Kindern mehr Flexibilität und Mobilität gefordert wird.  Und andererseits mit dem Wechsel von einem Bundesland in ein anderes, oft große schulische Schwierigkeiten verbunden sind. Schon die Schularten sind völlig unterschiedlich, oft auch Fächer und Lerninhalte – in Zeiten von Globalisierung ist so eine Kleinstaaterei völlig antiquiert und muss geändert werden.

Ich fasse also zusammen:

  1. Nur eine gemeinsame Schule für alle schafft eine harmonische Gesellschaft und gleiche Chancen.
  2. Nur wenn Schule zum Lebensraum wird, verbessern sich die Lernerfolge und die staatlichen Schulen können mit den privaten mithalten.
  3. Die Vermeidung des Klimawandels gelingt nur, wenn alle Menschen dazu beitragen. Das werden sie erst dann, wenn sie in der Schule nachhaltig dazu erzogen werden.

Zum Schluss wage ich einen Ausblick in die Zukunft:

Wenn wir soweit sind, dass wir das Bildungssystem bundesweit vereinheitlichen wollen, dann wird unsere schleswig-holsteinische Bildungslandschaft und die anderer Länder mit Grüner Handschrift, so gut sein, dass sie für ganz Deutschland übernommen wird.

Dann machen wir nicht nur Schlagzeilen mit unserem Green New Deal, sondern erweitern ihn auf den Green School Deal, der bestimmt genauso ein Exportschlager werden wird.

Voraussetzung dafür ist natürlich eine starke Grüne Landtagsfraktion. In der möchte ich gerne mitarbeiten und freue mich über eure Unterstützung.

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