Zu kurz gedacht und zu weit gesprungen

Der Antrag der Piraten ist zu kurz gedacht und zu weit gesprungen. Das System des Beamtentums mit seinen althergebrachten Grundsätzen ist ein fein austariertes, bei dem sich nicht einfach an einer Seite etwas dazufügen oder wegnehmen lässt, ohne dass das System insgesamt ins Wanken gerät.

Richtig ist, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, des EGMR, in Deutschland zu beachten ist. Deutsche Gesetze und die Verfassung müssen völkerrechtsfreundlich interpretiert werden. Deswegen lassen sich aber noch lange nicht Urteile, die zu Gesetzen der Türkei ergangen sind, eins zu eins auf Deutschland übertragen. Das jeweilige Rechtssystem der nationalen Rechtsordnung ist dabei sorgfältig zu berücksichtigen.

Nichtsdestotrotz mehren sich die Anzeichen, dass wir, nicht zuletzt wegen des Urteils des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, einen Wandel des Beamtentums immer nötiger brauchen, um auch dieser Kritik am Streikverbot gerecht zu werden. Die deutsche Rechtsprechung - darauf weisen die Piraten zutreffend hin - äußert sich bislang unterschiedlich. Überwiegend wird in der Rechtsprechung allerdings das Urteil des EGMR nicht übertragen.

Das Streikverbot wird als einer der Grundsätze des Berufsbeamtentums aufrecht erhalten. Der Lösungsvorschlag der Piraten wirkt auf den ersten Blick wie die einfache und konsequente Lösung des Problems. Er ist aber in Wahrheit ein populistischer Antrag, der nur vermeintlich Abhilfe zu be- stehenden Gewerkschaftsforderungen schafft. Ähnlich populistisch war der Antrag der Linken in der letzten Wahlperiode, der kurz nach den Lehrerstreiks im Plenum behandelt wurde. Damals hatte sich der Beamtenbund übrigens eindeutig gegen ein Streikrecht für BeamtInnen ausgesprochen.

Ich sage gar nicht, dass ich das Anliegen in der Sache nicht verstehe oder keinenHandlungsbedarf sehe. Nur ist die Lösung nicht so einfach, wie Ihr Antrag suggeriert.Sie nehmen nicht das ganze System des Beamtentums in den Blick ­ und das ist einFehler!

Würden wir Ihrem Antrag folgen, würden damit zwangsläufig zwei Klassen von Beamtinnen und Beamten geschaffen: Die eine Klasse, die streiken darf und die andere, die nicht streiken darf. Sie sehen, Ihr Antrag hinkt.

Für uns erwächst daraus eigentlich eine ganz andere Überlegung: Wieso müssen wir in Deutschland über den hoheitlichen Bereich hinaus verbeamten? Zunächst ist der Begriff ,,hoheitlich" nicht trennscharf zu definieren. Das ist eine eindeutige Schwäche Ihres Antrags. Deshalb ist er populistisch und nur der aktuellen Diskussion um die Tarifverträge geschuldet.

Polizei, Ordnungskräfte, Rechtspflege, Steuerverwaltung - diese Bereiche sind klar dem Bereich zuzuordnen, in dem ein Streikverbot aufrecht erhalten werden sollte.Für den Bereich der LehrerInnen ist bereits umstritten, ob sie hoheitliche Staatsgewalt ausüben oder nicht.

Und hier fängt die spannende Diskussion an, die wir imAusschuss weiterführen werden: Müssen wir unser Beamtenrecht aufgrund der europäischen Rechtsprechung verändern? Wenn ja, wie machen wir dies? Der Privilegienstatus für BeamtInnen kann nicht vollständig aufrecht erhalten werden und um das Streikrecht ergänzt werden, das wäre systemwidrig. Bleiben nur noch zwei Möglichkeiten: Die Überführung in den Angestellenstatus oderd ie Schaffung eines besonderen Beschäftigungsverhältnisses eigener Art mit weniger Privilegien als das hoheitliche BeamtInnentum, dafür aber dem Streikrecht.

Die Sinnhaftigkeit dieses Wegs erschließt sich mir im Moment allerdings nicht. Die Einführung des Angestelltenstatus ist im Moment politisch nahezu unmöglich, wenn es nicht im Konzert mit Bund und Ländern erfolgt.

Bleibt als Fazit, dass es nicht so leicht ist, wie die Piraten suggerieren. Das jetzige System besticht durch seine Ausgewogenheit und Systematik. An dieser anzusetzen und politische Forderungen aufzustellen, ist nicht mit einem Dreizeiler getan.

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