Mehr Entscheidungsfreiheit bringt auch mehr Verantwortung

Hatten CDU/FDP 2012 noch rasch die Rechtspflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen aufgehoben, hatte die Küstenkoalition als eine ihrer ersten Amtshandlungen die Verpflichtung wieder eingeführt. Die Pro- und Kontra-Argumente sind lange ausgetauscht, beide Seiten erheben Anspruch auf deren Richtigkeit.

Es stimmt, seit Langem sind die Kommunen untereinander uneins und viele von ihnen mit dem Status quo nicht zufrieden. Auch in den Städten sind die Stimmen immer lauter geworden mit der Einziehung der Beiträge sei ein unnötiger bürokratischer Aufwand verbunden. BürgerInnen monieren immer wieder nicht nachvollziehbare Entscheidungen der Verwaltung. Das bedeutet nicht nur Rechtsunsicherheit. Es führt im schlimmsten Fall sogar zu juristischen Auseinandersetzungen und Klagen.

Das ist eine Kritik, die wir ernst nehmen und die uns dazu bewogen hat, im Koalitionsvertrag dem Anliegen von CDU und FDP zuzustimmen und die Aufhebung der Rechtspflicht zu vereinbaren. Während der Regierungszeit der Küstenkoalition haben wir betont, dass uns der Gleichklang aller Kommunen wichtig ist. Unsere Sorge war und ist: Es darf nicht zu einem Wettbewerb unter den Kommunen kommen. Wir wollten verhindern, dass die finanziell schwächer aufgestellten Kommunen - wie vor allem die großen Städte - noch mehr Druck zu spüren bekommen und zu finanziell unsoliden Entscheidungen getrieben werden.

Nun soll die Rechtspflicht abgeschafft werden. Die Befreiung von der Pflicht, Straßenausbaubeiträge zu erheben, muss sich in der Praxis bewähren. Man muss keine Prophetin sein, um vorherzusagen: Auch in dieser Konstellation wird es Unzufriedene geben. Wenn Kommunen die Erhebung von Ausbaubeiträgen nun abschaffen, stellt sich die große Frage, wie die Straßen vor Ort finanziert werden. Die Kommunen, die es sich leisten können, sind fein raus und können auf ihr Finanzpolster zurückgreifen. Die Kommunen, die sie abschaffen und in denen die Kasse jetzt schon klamm ist, werden wohl oder übel Steuererhöhungen durchsetzen müssen. Nicht die ungerechteste Lösung, weil dann alle gleichmäßig an den Straßenausbaukosten beteiligt werden. Das wäre eine interessante Entwicklung der Grundsteuer hin zu einer kommunalen Infrastruktursteuer. Ja, mit dem Gesetzentwurf liegt mehr Entscheidungsfreiheit bei den Kommunen vor Ort. Aber in dieser Freiheit liegt auch eine Verantwortung. Die Verantwortung zum sorgsamen Umgang mit den kommunalen Finanzen.

Bereits jetzt werden Stimmen laut, das Land müsse es nun richten und für solide Straßen in den Kommunen sorgen. Das Land beteiligt sich schon jetzt mit einem zweistelligen Millionenbetrag und wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, den Erhalt kommunaler Straßen noch stärker zu unterstützen. Wir werden den Anteil der Mittel aus dem Topf des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes für die Sanierung von kommunalen Straßen auf 65 Prozent erhöhen. Unabhängig von diesen Mitteln bleibt die Frage, ob und wie sich das Land darüber hinaus beteiligt, so wie es sich die Kommunen wünschen. Dies wird uns sicherlich im Rahmen der Beratungen zum kommunalen Finanzausgleich wieder begegnen.

Wir Grüne werden uns für eine solide Finanzierung der Kommunen einsetzen. Aber auch die Kommunen selbst müssen ihre Hausausaufgaben machen, wie die Finanzierung vor Ort gelöst werden kann. Mit der Abschaffung der Pflicht zur Erhebung der Straßenausbaubeiträge ist also nicht verbunden, dass das Land jetzt die Kosten für die Sanierung der Straßen trägt. So mag es in einigen Wahlprogrammen gestanden haben, aber es hat nicht Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden. Die Kommunen sollten deshalb intensiv abwägen, ob sie wirklich die Beiträge abschaffen oder ob sie nicht doch weiterhin die AnwohnerInnen beteiligen.

Mir ist klar, dass das Thema im bald beginnenden Kommunalwahlkampf ein wichtiges Thema sein wird. Das Versprechen, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen, hört sich verlockend an. Aber zur Ehrlichkeit gehört dazu, dass damit noch nicht das Geld für die Sanierung einer Straße auf dem Gemeindekonto ist. Ich hoffe, die Parteien bringen diese Ehrlichkeit auf.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.

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