Beschlüsse müssen auch digital gefasst werden können

Rede im Landtag zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften (17. Juni 2020)

Dazu sagt die kommunalpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Ines Strehlau: Sehr geehrte Damen und Herren,

mit dem vorliegenden Gesetzentwurf können kommunalpolitische Beschlüsse auch unter Corona-Bedingungen gefasst werden. Ich freue mich, dass wir den Gesetzentwurf einbringen und ich freue mich, dass wir ihn gemeinsam mit allen demokratischen Parteien vorlegen. Wir stärken unter anderem die digitalen Beteiligungsmöglichkeiten und schaffen Rechtssicherheit für die Finanzierung eigener digitaler Endgeräte von Kommunalpolitiker*innen.

Corona hat auch die kommunalpolitische Arbeit kalt erwischt. Von einem Tag auf den anderen gab es Kontaktbeschränkungen und Betretungsverbote von öffentlichen Gebäuden, was die Kommunalpolitik erst einmal ziemlich zum Erliegen brachte. Das Innenministerium hat schnell reagiert und klar stellende Erlasse an die Kommunen herausgegeben. Es wurde empfohlen, Sitzungen abzusagen und sie auf das unbedingt notwendige Maß zu reduzieren. Gleichzeitig wurde klargestellt, dass Kommunalpolitik von den Kontaktbeschränkungen ausgenommen war. Sitzungen durften, allerdings unter den geltenden, strikten Hygieneauflagen, stattfinden.

Aber vor allem das Infektionsrisiko hielt die Kommunalpolitiker*innen verständlicherweise davon ab, sich in Präsenzsitzungen zu treffen. Sitzungen per Video- oder Telefonkonferenz konnten stattfinden – allerdings nur als Beratungssitzung, Beschlüsse durften nicht gefasst werden. Das lässt die Gemeindeordnung bisher nicht zu. Und das war das Problem.

Unsere Fraktion und viele Kommunalpolitiker*innen sahen da Handlungsbedarf. Also haben wir uns auf die Suche nach Gesetzentwürfen gemacht, von denen wir lernen können und sind in Baden-Württemberg fündig geworden. Dort war gerade ein Gesetz zu digitalen Abstimmungen verabschiedet worden. Dieses Gesetz haben wir in der Jamaika-Koalition weiter entwickelt.

Das ist positiver Föderalismus: Gute Initiativen werden von anderen Ländern übernommen. Man sagt, Krisen sind die Zeit der Exekutive. Dazu scheinen sich auch einige Bürgermeister*innen, Landrät*innen und Amtsdirektor*innen gezählt zu haben. Sie legten ihr Recht, Eilentscheidungen zu treffen, zum Teil eher großzügig aus. Und die Bereitschaft der Verwaltungen, zumindest Video- oder Telefonkonferenzen zur Beratung durchzuführen, war sehr durchwachsen.

Es gibt Kommunen, die das vorbildlich organisiert haben und so die Selbstverwaltung in die Entscheidungen einbezogen haben. Aber es gibt auch Kommunen, in denen Fraktionen darum kämpfen mussten, dass sie stattfinden. Wir Abgeordnete und unsere kommunalpolitischen Vereinigungen haben dazu wahrscheinlich alle Mails von unseren Kommunalpolitiker*innen bekommen.

Das Innenministerium hatte zwar klar gestellt, dass Eilentscheidungen von Verwaltungsleitungen nur getroffen werden, wenn sonst ein schwerer, praktisch nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht und eine Sitzung der Gemeindevertretung nicht möglich ist. Aber es gab durchaus Fälle, in denen die vorgeschriebenen vorherigen Absprachen mit den Fraktionen nicht wirklich gelungen waren.

So wollte ein Bürgermeister gern per Eilentscheidung den Haushalt beschließen, ohne ernsthaft zu versuche, eine Sitzung der Gemeindevertretung stattfinden zu lassen. Die vorliegenden Änderungsanträge sollten auch unberücksichtigt bleiben. Oder es wurde, da kein Ausschuss stattfand, eine Baugenehmigung nach §34 Bauge-setzbuch ohne Information an die Politik erteilt, obwohl sich der B-Plan in Aufstellung befand. Es konnte kein Veto eingebracht werden und keine Bedingungen beispielsweise für Klima- und Naturschutz festgelegt werden.

Bei vielen Themen gab es auch keine Entscheidung. Das führte in Kommunen zu Verzögerungen in wichtigen Bereichen der Daseinsvorsorge. So konnte über Bebauungspläne zum Beispiel für Kitas nicht entschieden werden. Dies alles zeigt: Die Gemeindeordnung muss angepasst werden. Es muss in Ausnahmezeiten die Möglichkeit geben, Sitzungen mit Beschlüssen auch digital stattfinden zu lassen.

Diese Möglichkeit schaffen wir mit unserem Gesetzentwurf. Dabei setzen wir auf Freiwilligkeit. Ich bin sicher, dass viele Kommunen die Chance nutzen werden, Sitzungen per Video- oder Telefonkonferenz stattfinden zu lassen. ITVSH und Dataport sind dabei, ein Programm für die Kommunen zu entwickeln, mit dem auch die Öffentlichkeit der Sitzungen herstellt werden kann.

Einwohner*innen können dann zum Beispiel über PC oder Telefon die Sitzung verfolgen. Es ist klar: Die Öf-fentlichkeit der Sitzungen muss auch digital gewährleistet werden. Natürlich können die Kommunen auch Programme anderer Anbieter nutzen, wenn sie den Datenschutz ausreichend gewährleisten. Wir werden über die Sommerpause die Anhörung zum Gesetzentwurf durchführen. Da die Kommunalen Landesverbände den Gesetzentwurf ausdrücklich unterstützen, können wir zügig danach entscheiden. Dann haben wir unsere Kommunalordnungen einen Schritt in die digitale Zukunft gebracht. ***

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