Situation von Auszubildenden ernst nehmen

Rede im Landtag (19.November 2020) Es gilt das gesprochene Wort! TOP 12 – Bericht zur Ausbildungssituation Dazu sagt die bildungspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Ines Strehlau:

Sehr geehrte Damen und Herren,

bis 2035 werden nach Prognosen 180.000 Fachkräfte in Schleswig-Holstein fehlen. Viele von ihnen in Berufen mit einer dualen Ausbildung im Bereich der IHK oder der Handwerkskammer. Die duale Ausbildung ist also ein zentraler Baustein, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Eine Lücke gibt es aber auch bei fachschulischen Ausbildungen, wie den Erzieher*innen. Diese Lücke zu schließen, ist schon eine enorme Herausforderung. Der Ausbildungsmarkt ist dynamisch.

Eigentlich war der Bericht der Landesregierung für den Juni geplant. Als ich mir jetzt meinen Redeentwurf vom Juni ansah, musste ich die Zahlen – glücklicherweise – überarbeiten, denn im Juni waren noch fast 9.300 Ausbildungsstellen unbesetzt und es wurde von etwa 15 Prozent weniger Ausbildungsverträgen gesprochen. Die Zahlen sehen jetzt viel besser aus: Ende September waren noch 1970 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz, fast zehn Prozent weniger als 2019. Gleichzeitig gab es 2000 offene Stellen.

Die Situation für Schüler*innen und Betriebe ist unter Corona-Bedingungen nicht einfach. Es fehlte die Berufsorientierung an den Schulen, Praktika fielen zum Teil aus, Berufsmessen haben nicht stattgefunden. Hinzu kommt die Unsicherheit der Betrieb über ihre wirtschaftliche Zukunft. Dafür haben sich die Zahlen erstaunlich gut entwickelt. Das zeigt, wie vorausschauend und verantwortungsbewusst viele Betriebe sind. Und sie zeigen, dass das Bündnis für Ausbildung mit seinen Partnern Landesregierung, Agentur für Arbeit, Wirtschaft und Gewerkschaften sehr gute Arbeit geleistet hat. Vielen Dank dafür!

Auch die beruflichen Schulen haben sehr flexibel auf eine höhere Zahl unversorgter Jugendlicher reagiert und ein Brückenjahr eingerichtet. Derzeit haben die berufsbildenden Schulen fast 470 Plätze in einem Brückenjahr für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz geschaffen. Dafür wurden vom Land auch zusätzliche Stellen für „Vertretungskräfte mit den Aufgaben eines Fachlehrers“ bereitgestellt.

Die Regionaldirektion Nord ist über die freien Plätze im Brückenjahr informiert und hat die Vermittlung in die freien Stellen in Zusammenarbeit mit dem berufsbildenden Schulen übernommen. Dieses Zusammenspiel zwischen Betrieben und beruflichen Schulen zeichnet unser System der beruflichen Bildung aus und macht es so erfolgreich.

Vor Kurzem haben wir als Grüne Landtagsfraktion unseren Ausschwärmtag zum Thema Ausbildung gemacht. Wir Abgeordnete sind in unseren Wahlkreisen ausge-schwärmt, um Betriebe, berufliche Schulen oder andere Ausbildungsträger zu besuchen. Dabei wurde wieder einmal klar, dass wir wirklich gute Ausbildungsbetriebe haben. Unter ihnen viele, die auch Jugendlichen eine Chance geben, die nicht die Top-Zeugnisse haben und die sie mit Hilfe von ausbildungsbegleitenden Hilfen oder auch Unterstützung nach Feierabend zu einem erfolgreichen Abschluss führen.

Ein Praktikum ist für viele Betriebe ein wichtigeres Kriterium für die Einstellung als das Zeugnis. Gerade im Handwerk sind andere Qualitäten gefordert. Aber es wurden auch Wünsche und Kritik genannt: Wir brauchen ein möglichst enges Netz an Berufsschulen für die Ausbildungsberufe. Wenn 16-Jährige für den Besuch einer Bezirksfachklasse an einer Berufsschule drei Kreise weiter müssen, überlegen sie sich, ob sie nicht einen Beruf ergreifen, wo die Berufsschule im eigenen Kreis ist. Um aber die Berufsschulklassen erhalten zu können, brauchen wir genügend Azubis. Um diese zu bekommen, brauchen wir attraktive Ausbildungsbedingungen, genügend Bewerber*innen und vor allem genügend Ausbildungsbetriebe. Es ist also auch für die Zukunft eine große Aufgabe, die Zahl der Ausbildungsbetriebe zu erhöhen.

Auch in den fachschulischen Ausbildungen gibt es Herausforderungen: Wir brauchen dringend mehr Erzieher*innen, die praxisintegrierte Ausbildung, kurz PiA, in der eine Ausbildungsvergütung gezahlt wird, ist sehr attraktiv. Sie ist jetzt als Regelausbildung anerkannt. Es ist unter anderem zu klären wer die Vergütung zahlt. Die Träger, die Kommunen, beteiligt sich das Land? Und wie erhalten wir die deutlich breiter aufgestellte traditionelle Erzieher*innenausbildung? Wie binden wir die sozialpädagogischen Assistent*innen ein? Müssen wir auch diese Ausbildungen weiter entwickeln?

Wir brauchen auch mehr Fachkräfte in der Pflege. Hier ist die Ausbildung zur Fachkraft für Pflegeassistenz ein Ausbildungsgang für Jugendliche mit dem ESA. Aber diese fachschulische Ausbildung wird nicht vergütet. Deshalb gibt es den Wunsch, eine bezahlte PiA-Ausbildung wie bei den Erzieher*innen zu machen. Auch hier ist die Frage, wer zahlt?

Dann gab es den Wunsch nach mehr Angeboten, die in den letzten Klassen hohe Praxisanteile in Betrieben mit Unterricht an der Schule kombinieren. Wir haben als Jamaika-Koalition Mittel für ein solches Angebot, das produktive Lernen, zur Verfügung gestellt. Es läuft sehr erfolgreich in mehreren Gemeinschaftsschulen im Land. Eine sehr gute Entscheidung unserer Koalition. Hier sollten wir überlegen, ob wir das Angebot ausweiten.

Das sind nur einige Beispiele für die Herausforderungen, die in der beruflichen Bildung bewältigt werden müssen. Die berufliche Bildung ist vielfältig und hat neben der dualen Ausbildung weitere wichtige Bereiche. Es ist essentiell für die Stärkung der beruflichen Bildung, dass das SHIBB alle gleichermaßen im Blick hat.

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