Mehr Berufsorientierung in den Schulen

Rede im Landtag zum Thema "Fachkräfte sichern – Moratorium für die Berufliche Bildung" (25. November 2021)
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Fachkräftemangel ist in vielen Bereichen bei uns im Land angekommen. Die Corona Pandemie hat den Effekt verstärkt. Es fehlten Ausbildungsmessen, Praktika konnten nicht oder nur eingeschränkt gemacht werden. Die Berufsorientierung an den Schulen konnte also nicht so laufen, wie gewohnt.

Das macht es schwer für Jugendliche, sich zu entscheiden, welcher Beruf der richtige ist. Und es ist schwer, den richtigen Ausbildungsbetrieb zu finden. Das hat zur Folge, dass es in diesem Jahr weniger Bewerbungen und auch weniger Ausbildungsstellen gab. Für die Zukunft braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung aller, um den Fachkräftebedarf zu decken.

Ein Element dieser Kraftanstrengung ist eine verstärkte Berufsorientierung an den allgemeinbildenden Schulen. Es ist gut, dass es jetzt ein gemeinsam mit der Agentur für Arbeit vereinbartes Konzept dazu gibt. Und es ist richtig, dass wir das Fach Berufs- und Studienorientierung in der Eingangsphase der Oberstufe eingeführt haben. Schüler*innen müssen ihre Stärken und Interessen und auch unterschiedliche Berufe kennen, um zu wissen, was sie beruflich machen wollen.

Wir müssen auch Projekte an den allgemeinbildenden Schulen stärken, die mehr Praktika beinhalten. Das ist in den Flex-Klasen so. Auch das produktive Lernen, in denen Schüler*innen im 8. und 9. Jahrgang durchgehend drei Tage in der Woche in Praktikumsbetrieben sind und zwei Tage an der Schule, ist sehr erfolgreich. Wir Grüne finden, dass wir dieses Angebot in jedem Kreis und jeder kreisfreien Stadt bei uns haben sollten.
Ergänzend kommt jetzt eine neue Vereinbarung im Ampel-Koalitionsvertrag im Bund dazu. Die Ausbildungsgarantie. Sie soll allen Jugendlichen einen Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung ermöglichen, aber Vorrang hat die Ausbildung im Betrieb. Das finde ich eine sehr gute Maßnahme, auch wir Grüne hatten sie 2017 in unserem Landtagswahlprogramm, haben uns aber innerhalb dieser Koalition nicht damit durchsetzen können.

Diese Ausbildungsgarantie wird, wenn sie denn so umgesetzt wird, ein „Gamechanger“ sein, wie es Neudeutsch heißt. Auch der Übergang von der Schule in den Beruf wird da neu gedacht werden müssen. Dabei sind, wie bei den meisten beruflichen Ausbildungen, und bei Fort- und Weiterbildungen sind die berufsbildenden Schulen und die RBZ der schulische Dreh- und Angelpunkt in der Region. Sie versorgen die Azubis mit Berufsschulplätzen und garantieren so, dass duale Ausbildungen vor Ort möglich sind. Da die Azubizahlen zum Teil zurückgehen, ist es richtig, dass es einen Sicherstellungszuschlag gibt und die berufsbildenden Schulen und RBZ trotz gesunkener Schüler*innenzahlen 60 Lehrkräftestellen für das kommende Jahr behalten.

Die dualen Ausbildungsgänge sind der zentrale, aber längst nicht der einzige Ausbildungsgang an den berufsbildenden Schulen und RBZ. Es gibt dort sechs Schularten, die wir alle im Blick behalten müssen. Das bringt unser Alternativantrag zum Ausdruck. Die Schüler*innenzahlen an den berufsbildenden Schulen sinken seit mehreren Jahren. Darauf müssen wir reagieren. Deshalb ist es wichtig, eine Schulentwicklungsplanung für Schleswig-Holstein in die Wege zu leiten. Das Prognos-Gutachten des Schleswig-Holsteinischen Instituts für Berufliche Bildung, kurz SHIBB, setzt da nur den Fokus auf die duale Ausbildung. Wir müssen aber alle sechs Schularten der beruflichen Schulen einbeziehen.

Ich möchte zwei Bereiche herausgreifen, in denen klar wird, dass wir die Kraftanstrengung beim Fachkräftemangel brauchen. Wir haben gestern das Energiewende- und Klimaschutzgesetz beschlossen. Dafür brauchen wir mehr Windanlagen, Gebäudedämmung, Wärmepumpen, Solarzellen auf dem Dach und einiges mehr. Für all das brauchen wir Ingenieure und Ingenieurinnen zur Entwicklung. Und wir brauchen Handwerker*innen, die all das bauen und montieren. Da haben wir eine große Lücke. Im Moment sind bei den Ausbildungsstellen von Elektroniker*innen für Energie- und Gebäudetechnik noch 110 unbesetzt. Bei den Anlagemechaniker*innen für Sanitär, Heizung, Klimatechnik sind es 96.

Wir haben auch einen riesigen Bedarf an pädagogischem Fachpersonal für Kitas und den Ganztag-Erzieher*innen und sozialpädagogische Assistent*innen. Dieses Fachpersonal wird an den Fachschulen, an den berufsbildenden Schulen und RBZ ausgebildet. Deshalb ist es wichtig, dass ein Teil der 60 Stellen auch für eine Steigerung der Ausbildungskapazitäten für den pädagogischen Bereich verwendet wird. Das gilt auch für pflegerische Ausbildungen.

Die Herausforderungen beim Fachkräftemangel sind also in mehreren Bereichen groß. Das Wirtschaftsministerium und das SHIBB müssen alle diese Bereiche gleichermaßen zukunftsfähig aufstellen. Dazu gehört auch eine intensivere Zusammenarbeit mit dem Bildungs- und dem Sozialministerium.
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