Wir wollen Ausbildungsplätze in der Region erhalten

Rede im Landtag zum Thema "Fachkräfteausbildung stärken – Zukunft des Trave-Campus“ (16. Dezember 2021)

Sehr geehrte Damen und Herren,
auch in Schleswig-Holstein ist der Fachkräftebedarf in vielen Bereichen angekommen. Einzelne Berufe sind nachgefragt, andere weniger. Um langfristiger planen zu können, ist es richtig, dass es eine landesweite Schulentwicklungsplanung für die berufsbildenden Schulen gibt. Sie muss alle sechs Schularten an den berufsbildenden Schulen umfassen. Das haben wir in der letzten Plenarsitzung schon diskutiert.

Um das Angebot an den berufsbildenden Schulen in der Fläche zu sichern, bis die Schulentwicklungsplanung fertig ist, haben wir mit dem Haushalt 2022 gestern den Erhalt von 60 Lehrkräftestellen beschlossen, obwohl die Schüler*innenzahlen zurück gegangen sind. Berufliche Bildung ist Jamaika wichtig.

Besonderen Fachkräftebedarf gibt es in vielen Bereichen des Handwerks. Da kommen wir zum Priwall und der angestrebten Verlagerung in den geplanten Trave-Campus in Lübeck. Vorweg: Das „Travemünder Modell“, bei dem die Landesberufsschulen und die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung, die ÜLU, miteinander verzahnt sind, ist klasse. Es ist hoch anerkannt bei den Betrieben und den Auszubildenden.
Die Azubis haben ihren Berufsschulunterricht als Blockunterricht mit Internatsunterbringung auf dem Priwall. In dieser Zeit absolvieren sie außerdem ihre Stunden in der ÜLU, machen also zusätzliche Stunden. Das hat mehrere positive Effekte: Der Berufsschulunterricht und die ÜLU sind inhaltlich eng miteinander verzahnt, Meister*innen und Lehrkräfte sprechen sich über die Inhalte ab. Man kann die Werkstätten doppelt nutzen und sich auch personell gegenseitig mal aushelfen, wenn Not am Mann oder an der Frau ist. Ein weiterer entscheidender Vorteil ist, dass die Azubis mit dem Blockunterricht an der Berufsschule gleichzeitig ihre ÜLU-Zeiten absolvieren. Das heißt, dass sie einige Wochen mehr im Betrieb sein können, als wenn die ÜLU extra laufen würde.

Das Travemünder-Modell ist eine wirklich gute Lernortkooperation, die es zu erhalten lohnt. Wenn man sich die Bewertungen der Berufsbildungsstätte im Netz ansieht, dann gibt es viel Lob für die Lehrkräfte und Ausbilder*innen auf dem Priwall. Die Gebäude und die Internatsunterbringung sind allerdings nicht mehr auf dem neuesten Stand. Auf dem Trave-Campus soll nun neu gebaut werden und die Angebote des Priwall dorthin verlagert werden, weil vor einigen Jahren für die Sanierung fast genauso wie für den Neubau veranschlagt wurde. Das Gute wäre, dass das Travemünder Modell weitergeführt werden könnte.

Aber es gibt auch Nachteile: Denn der Trave-Campus liegt nicht am Wasser und für Bootsbauer*innen und Segelmacher*innen ist die Nähe zum Wasser ein Vorteil. Außerdem gibt es jetzt schon eine weitere Berufsschule auf dem Priwall, die Seemannschule. Sie ist in Trägerschaft des Landes. Auch hier hilft man sich gegenseitig aus und kooperiert. Und auch die Seemannschule muss saniert werden. Wenn Landesberufsschule, ÜLU und Seemannschule auf dem Priwall blieben, könnte man bei der Sanierung und dem vielleicht teilweisen Neubau Synergieeffekte nutzen. Ein größerer Internatstrakt ist beispielsweise günstiger als zwei kleinere.

Deshalb bitten wir die Landesregierung in unserem Antrag auch die Option zu prüfen, dass alle oder einzelne Bildungsgänge auf dem Priwall bleiben und zu prüfen, ob die Trägerschaft von der Stadt Lübeck oder dem Land übernommen wird. Ich kann verstehen, dass die Handwerkskammer gern die große Lösung des Trave-Campus realisieren möchte. Aber wegen der Verdoppelung der Baukosten zusätzlich zu den schon für ÜLU und Landesberufsschule in Aussicht gestellten gut 38 Millionen Euro noch einmal 60 Millionen obendrauf zu packen, ist für das Land einfach nicht zu wuppen. Außerdem ist mit den jetzt berechneten gut 180 Millionen Euro Bausumme das Ende der Fahnenstange ja noch lange nicht erreicht. Der Bau würde mit Sicherheit am Ende mehr als 200 Millionen Euro kosten.

Der von der Handwerkskammer geforderte Betrag vom Land von fast 100 Millionen Euro ist auch unverhältnismäßig zur Schüler*innenzahl. In den sechs Ausbildungsgängen besuchen 1100 Schüler*innen die Landesberufsschule. 100 Millionen Euro Landeszuschuss für eine einzelne, relativ kleine berufliche Schule - was würde das für andere berufliche und allgemeinbildende Schulen bedeuten? Für unsere 800 allgemeinbildenden Schulen im Land haben wir gerade ein Programm von insgesamt 120 Millionen Euro aufgelegt. Wir müssen als Land alle Schulen im Blick behalten und die Mittel gerecht verteilen.

Und noch ein Punkt ist wichtig: Die meisten Ausbildungsberufe auf dem Priwall gehören in die sogenannte Splitterberufsliste. Es gibt bundesweit wenige Azubis, die dann bundeslandübergreifend an wenigen Berufsschulen zusammengefasst sind. So werden im Priwall die Segelmacher*innen für fast das gesamte Bundesgebiet ausgebildet. Diese Aufteilung zwischen den Bundesländern wird in der Kultusminister*innenkonferenz be-schlossen. Wenn wir in Schleswig-Holstein an dieser Vereinbarung rütteln, können Begehrlichkeiten bei anderen Bundeländern entstehen und vor allem die Betriebe werden verunsichert.

Unser gemeinsames Ziel ist es, gute Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen zu erhalten. Damit sichern wir den Fachkräftebedarf und erhalten auch die Ausbildungsplätze in der Region. Deshalb müssen alle miteinander weiter ergebnisoffen über die beste Lösung diskutieren. Viele von uns waren vor Ort und haben auch mit der Handwerkskammer und dem Handwerk gesprochen. Das Thema ist uns also wichtig. Ich bin sicher, dass wir eine gute Lösung finden werden.
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