Notenzeugnisse werden den individuellen Leistungen nicht immer gerecht

TOP 16 – Zeugnisse für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf

Dazu sagt die schulpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Ines Strehlau:

Sehr geehrte Kolleg*innen, sehr geehrter Herr Präsident, über Zeugnisse lässt sich gut streiten. Soll es vorgefertigte Formulare dafür geben oder sollen die Schulen sie individuell gestalten? Soll es Berichtszeugnisse oder Notenzeugnisse oder Kompetenzzeugnisse oder eine Mischung aus allen geben? In welcher Jahrgangsstufe gibt es welches Zeugnis?

Diskussionen über Zeugnisse und über Leistungsrückmeldungen allgemein gibt es in vielen Schulen und somit auch in der Politik. SPD und SSW bringen nun einen Antrag ein, der zum Ziel hat, dass es für Schüler*innen mit Förderbedarf anstelle von Berichtszeugnissen oder Kompetenzrastern auch Notenzeugnisse geben kann. Im Moment gibt es Berichtszeugnisse für die Schüler*innen mit Förderbedarf, die an Regelschulen inklusiv unterrichtet werden. Für sie kann es seit dem letzten Schuljahr auch eine Mischung aus Notenzeugnissen und Berichtszeugnissen geben.

Noten gibt es in den Fächern, in denen die Schüler*innen zielgleich unterrichtet werden. Also in den Fächern, in denen sie zum Beispiel das Niveau des ersten allgemeinbildenden Schulabschlusses, des ESA, lernen. Die Fächer, in denen die Schüler*innen nach einem individuellen Förderplan, also zieldifferent, arbeiten, werden mit einem Bericht bewertet.

Ich kann nachvollziehen, dass Schüler*innen mit Förderbedarf Zeugnisse wie alle anderen Schüler*innen auch bekommen möchten. In vielen Jahrgangsstufen also ein Notenzeugnis. Aber was sagt die Note aus? Schüler*innen mit Förderbedarf bekommen individuelle Förderpläne, je nach Leistungsstand. Ein Schüler bearbeitet beispielsweise in Mathe Aufgaben im Zahlenraum bis zehn, eine andere Schülerin ist im Zahlenraum bis 100 unterwegs.

Nun hat der Schüler, der im Zahlenraum bis zehn rechnet, 85 Prozent seiner Aufgaben richtig gelöst. Er würde also etwa eine zwei bekommen. Die Schülerin, die bis 100 rechnet, löst nur 55 Prozent ihrer Aufgaben. Sie würde eine vier bekommen. Obwohl die Aufgaben ja deutlich schwieriger sind. Ist das gerecht? Und welche Aussagekraft hat die Note?

Dieses Beispiel zeigt die Herausforderung der Notengebung in einem System mit unterschiedlichen Anforderungsebenen. Es zeigt meiner Meinung nach auch, dass Noten und Notenzeugnisse insgesamt nicht objektiv sind und nur eine Vergleichbarkeit vorspiegeln. Berichtszeugnisse oder Kompetenzraster geben einen viel detaillierteren Überblick über den Leistungsstand der Schüler*innen.

Ich habe zu dem Thema mit vielen Menschen gesprochen. Die neue Zeugnisverordnung scheint in vielen Schulen und Kreisen positiv aufgenommen worden zu sein. Es gibt auch von den meisten Eltern keine Beschwerden. Auch die beruflichen Schulen sagen insgesamt, dass es kein Hindernis bei der Aufnahme in die Schule ist, ob die Schüler* innen mit Förderbedarf Noten oder Berichtszeugnisse oder eine Mischung aus beiden haben. Vielfach finden sie die Berichte aussagekräftiger.

Die Bewertung von Leistungen ist insgesamt ein schwieriges Thema. Schüler*innen mit Förderbedarf haben ein Recht darauf, auch bei der Beurteilung mit den Schüler*innen ohne Förderbedarf gleich gestellt zu werden. Gleichzeitig soll das Zeugnis auch den tatsächlichen Leistungsstand beschreiben. Das ist bei Schüler*innen mit Förderbedarf, die in vielen Fächern nach einem eigenen Förderplan arbeiten, in Verbindung mit Noten besonders schwierig unter einen Hut zu bringen. Wir würden das Thema gerne im Ausschuss weiter beraten und bitten um Überweisung des Antrags in den Bildungsausschuss. ***

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