Eine gute Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen

Rede im Landtag zum Thema "Familien bei schulischen Lernmitteln unterstützen". Dazu sagt die schulpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Ines Strehlau (27. August 2020):

Sehr geehrte Damen und Herren,

ein Arbeitsheft für 9,95 Euro, ein Tuschkasten für 5,68 Euro, ein Set Textmarker für 3,38 Euro. Es sind nicht nur die großen Beträge für Klassenfahrten und Monatstickets, die Familien mit Schulkindern belasten. Auch die kleineren Beträge, die im Laufe eines Schuljahres für Lernmittel aufgewendet werden müssen, summieren sich. Im Durchschnitt werden knapp 1.000 Euro pro Kind und Schuljahr ausgeben. Das ist das Ergebnis einer Erhebung, die das IPN vor rund vier Jahren im Auftrag der damaligen Landesregierung durchgeführt hat.

1000 Euro sind – keine Frage – ein beträchtlicher Betrag, aber zur Einordnung muss man auch sagen, dass das IPN bei der Erhebung den Begriff der Lernmittel sehr weit gefasst hat. So wurden unter anderem auch die Kosten für Mittagessen, Nachmittagsbetreuung und Nachhilfe erfasst. Doch auch diese Ausgaben fallen durch den Schulbesuch an und ich finde es richtig, sie miteinzubeziehen, wenn man einen Überblick über die Gesamtkosten bekommen möchte.

Aufbauend auf die Erhebung haben wir sowohl als Bildungsausschuss, als auch als Koalition diverse Gesprächsrunden zu dem Themenkomplex durchgeführt – mit Schüler*innen-, Eltern- und Lehrervertreter*innen, aber auch mit den kommunalen Spitzenverbänden. Denn so unterschiedlich die Ausgaben der Eltern sind, so breit sind auch die Zuständigkeiten für die verschiedenen Kostenfaktoren verteilt. Originär sind die Schulträger für die Lernmittel zuständig, die Frage nach den Fahrtkosten wird auf Kreisebene geregelt, während der Bund für die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zuständig ist.

Klar ist, dass weder wir als Land, noch die Kreise oder der Bund die Kosten, die durch den Schulbesuch entstehen, vollständig übernehmen können. Bei rund 380.000 Schüler*innen wären das Ausgaben von fast einer halben Milliarde Euro. Dass Eltern auch weiterhin einen Beitrag für die Teilnahme ihrer Kinder an Tagesausflügen, Verbrauchsmaterialien für den Unterricht aber auch für Anschaffungen, die auch privat genutzt werden, wie zum Beispiel Sportklamotten, leisten müssen, finden wir auch angemessen.

Dennoch muss der Schulbesuch für alle erschwinglich sein und ein kleines Einkommen darf nicht zu einer Benachteiligung oder zum Teilhabe-Problem führen. Dass das aktuell noch immer der Fall ist, hat uns das Lernen auf Distanz, das durch die Corona-Pandemie erforderlich wurde, leider überdeutlich gezeigt. Ob Schüler*innen gut durch die Krise gekommen sind, hing nicht unerheblich von der Unterstützung durch das Elternhaus ab. Teilweise hatten sie kein geeignetes Endgerät oder das Datenvolumen reichte nicht mehr für die Englisch-Hausaufgaben.

Wir müssen in Zukunft dafür sorgen, dass Schulen ihre Schüler*innen mit allem, was nötig ist, ausstatten, denn digitaler Unterricht auf Distanz kann nur funktionieren, wenn alle über geeignete, digitale Endgeräte und eine stabile Internetverbindung verfügen. Wir begrüßen daher ausdrücklich die Vereinbarung mit dem Bund über ein zusätzliches Sofortprogramm für digitales Lernen. Neben den 17 Millionen Euro, die das Land aus dem Sofortprogramm bekommt, haben wir den Schulträgern mit dem Nachtragshaushalt vor der Sommerpause weitere 15 Millionen Euro zur Verbesserung der digitalen Ausstattung zur Verfügung gestellt.

Mit diesem Geld wollen wir unter anderem dafür sorgen, dass alle Schüler*innen zukünftig Zugang zu digitalen Endgeräten haben, damit Excel-Tabellen und PDF-Dokumente nicht auf dem Smartphone bearbeitet werden müssen. Die Geräte konnten schon in den Sommerferien bestellt werden. Inzwischen läuft die Auslieferung in vielen Orten. Auch eine Lösung für den Zugang zum Internet ist gemeinsam mit dem Bund auf dem Weg. Die Schulen werden also zukünftig digitale Endgeräte besitzen, die ausgeliehen und auch zu Hause genutzt werden können.

Trotz aller negativen Folgen dieser Krise freut es mich, dass die Digitalisierung an den Schulen nun so einen großen Schub macht. Zum parlamentarischen Prinzip gehört, dass die Opposition die Maßnahmen der Landes-regierung und der regierungstragenden Fraktionen kritisch kommentiert und insofern war zu erwarten, dass ihr unsere Maßnahmen nicht weit genug gehen. Ich gebe zu, wir Grüne hätten uns gewünscht, dass wir im Bereich der Schüler*innenbeförderung größere Schritte machen. Da ist die regionale Spreizung durch die unterschiedlichen Regelungen in den Kreisen sehr groß.

Wir Grüne treten für ein landesweites 365-Euro-Ticket für Schüler*innen und Azubis ein. An dem Thema müssen wir weiterarbeiten. Wenn die Opposition kritisiert, dass die Eltern nicht genügend entlastet werden, sollten wir uns vergegenwärtigen, welche Kosten durch die Corona-Pandemie auf den Landeshaushalt zukommen werden. Vor diesem Hintergrund ist es ein solides Maßnahmenbündel, das wir da auf den Weg gebracht haben. Wir freuen uns, dass dies im Prinzip auch der Kinderschutzbund so sieht, der das Thema vor einiger Zeit ja auf die Agenda gebracht hat. ***

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