Ohne nachhaltiges und soziales Wirtschaften ist Generationengerechtigkeit nicht umsetzbar

Rede im Landtag zum Thema "Mehr Unternehmer*innengeist in Schleswig-Holsteins Schulen" (21. Mai 2021)

Sehr geehrte Damen und Herren,
„EE ist Teamarbeit, Entscheidungsfreiheit und Verantwortungsgefühl, EE ist Durchhaltevermögen und Kreativität.“ Die Abkürzung EE steht hier nicht für erneuerbare Energien, es geht um das Lernfeld Entrepreneurship Education, also um Unternehmer*innentum. „EE lässt Arbeitsfelder und Arbeitsstrukturen erleben, gewährt Einblick in wirtschaftliche Zusammenhänge, lässt eigene Stärken und Schwächen erkennen und fördert die eigene Persönlichkeitsentwicklung.“

Dies sind Zitate aus einer Befragung Schleswig-Holsteinischer Schulen aus dem Jahr 2020 zu ihren Erfahrungen mit diesem Konzept. Kurz gesagt: Das Unterrichtsfeld Entrepreneurship Education bietet Mittel und Wege, Selbstwirksamkeit zu erleben. Wer sich mit konkreten Schritten für die Gründung eines Unternehmens beschäftigt, kommt mit gesellschaftlichen Fragestellungen in Berührung. Die Schüler*innen setzen sich auch mit sozialem und ökologischem Unternehmer*innentum auseinander. Das Lernen an Querschnittsthemen befähigt zum selbstständigen Handeln und Entscheiden. Handlungsorientierung und die Berücksichtigung der Interessen der Schüler*innen sind das A und O der Bildung.

Im Kreis Pinneberg entstand am Uetersener Ludwig-Meyn-Gymnasium bereits 2012 die Schülerfirma „Young and Fair“. Vor einiger Zeit habe ich mir das Konzept bei einem Besuch an der Schule angesehen. Dort wird mit fair produzierten Textilien aus Bio-Baumwolle gehandelt. Auf Wunsch kann von der Designabteilung ein Aufdruck erstellt werden. Auch die Preisgestaltung, Kund*innenberatung und Auslieferung erarbeiten die Schüler*innen selbstständig. Aufträge kommen von diversen Projektträgern. Die Bilanz kann sich sehen lassen.

Ein beeindruckendes Projekt mit hohen Ansprüchen: Neben Umweltschutz und fairen Preisen wollen sie, dass keine Kinder in den Produktionsstätten arbeiten, dass die Löhne angemessen sind und die Mitarbeitenden eigene Interessenvertretungen wählen dürfen. In Gesprächen habe ich erfahren, dass es zum Beispiel gar nicht so einfach war, bei der Auswahl der Produktionsfirmen Siegel zu finden, auf die man sich verlassen kann. Inzwischen wurde die Firma um den Bereich eigener Kollektionen erweitert, und es gibt eine professionelle Firmen-Homepage mit Garantie- und Versandregelungen.

Aus Grüner Sicht gibt es gute Argumente für „EE“ in der schulischen Allgemeinbildung, denn die Ökonomie der Zukunft wird grün sein. Ohne nachhaltiges und soziales Wirtschaften ist Generationengerechtigkeit nicht umsetzbar. Im Entwurf des Grünen-Wahl-programms setzen wir uns bereits mit der Ermöglichung von GmbHs in Verantwortungseigentum auseinander. Dort wäre, ähnlich wie bei Stiftungen, das erwirtschaftete Vermögen an einen festgeschriebenen Zweck und seine Entwicklung gebunden. Den Verantwortungseigentümer*innen gehört das Vermögen nur treuhänderisch. In Dänemark ist diese Rechtsform bereits verbreitet.

Ich bin sicher, die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und die Team-Erfahrung werden die Schüler*innen in ihrem beruflichen Werdegang prägen. Sie können ihre Erkenntnisse auch durch Einblicke in reale, wirtschaftliche Abläufe im Umfeld der Schule überprüfen. Es gibt bereits viele Firmen, die da voran gehen. Bei Schulprojekten und auf Ausflügen können Betriebe, die in regionalen Kreisläufen oder klimaneutral wirtschaften, kennen gelernt werden.

Für die Lehrkräfte bietet das Landeskonzept Entrepreneurship Education Kooperations- und Netzwerkmöglichkeiten. Durch die Kooperation mit der Joachim-Hertz-Stiftung stehen umfangreiche Angebote zu Verfügung. Über ein vielfältiges Angebot auf der Webseite „Wir unternehmen was“ bestehen Austausch- und Netzwerkmöglichkeiten.

Über das Projekt SEEd (Social Entrepreneurship Education) wurden bereits mehr als 6000 Schüler*innen erreicht und fast 2000 Ideen entwickelt. Bei den SEEd-Projekten geht es darum, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, einen Beitrag zu einer gerechten, sozial-ökologischen Welt zu leisten und gleichzeitig wirtschaftlich zu handeln.

Die Walther-Lehmkuhl-Schule beispielsweise, ein Berufliches Gymnasium in Neumünster, kooperiert mit der SEEd-Initiative. Schüler*innengruppen entwickeln Geschäftsideen zu gesellschaftsrelevanten Themen, für die sie sich interessieren. Sie erstellen Businesspläne in einer Projektwoche und präsentieren diese im Anschuss einer Jury. 2020 wurde die Schule dafür mit dem Berufswahl-Siegel „Selbstständigkeit als Berufswahl“ ausgezeichnet. Als Botschafterschule ermöglicht sie nun Einblicke in ihr Projekt und gibt ihre Erfahrungen an interessierte Schulen weiter.

Im Landeskonzept Entrepreneurship Education werden die bestehenden Strukturen gebündelt, neue Möglichkeiten für Innovationen geschaffen und es ist ausgerichtet auf Weiterentwicklung. Wir Grüne unterstützen diese Strategie.
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