Wir müssen den Distanzunterricht und die psychologische Betreuung weiter stärken

Sehr geehrte Damen und Herren,

langsam können wir glücklicherweise auch an unseren Schulen wieder größere Schritte hin zu mehr Normalität gehen. Das haben sich die Schüler*innen, die Lehrkräfte und alle an Schule Beschäftigten wirklich verdient. Die Inzidenzen bei den Kindern und Jugendlichen sinken. Bundesweit sind sie laut RKI bei den 5- bis 14-Jährigen in den letzten vier Wochen um 20 Prozent gesunken. Auch bei uns im Land sind sie – wir haben die Zahlen vorhin schon von der Ministerin gehört – seit dem Höhepunkt im Januar deutlich zurückgegangen: Aktuell haben wir bei den Kindern unter 10 Jahren eine Inzidenz von 1.265 und bei den 10-19-Jährigen von 1.291. Der im Vergleich vorsichtige Kurs in Schleswig-Holstein mit früher und langer Masken- und Testpflicht, einer guten Impfstrategie und der frühe Start von Omikron ermöglichen jetzt die Aufhebung der Kohortenregelung, kaum noch Einschränkungen bei Sport und Musik, den Umstieg auf freiwillige Tests und perspektivisch die Aufhebung der Maskenpflicht. Aber, wir wissen es inzwischen alle, die Pandemie hat zum Teil tiefe Spuren bei den Kindern und Jugendlichen hinterlassen. Und darum dreht es sich bei den drei Anträgen, die wir hier debattieren.

In der Abwägung zwischen Infektionsschutz und dem Recht auf Bildung und Teilnahme am Unterricht haben wir hier alle immer wieder diskutiert, wie wir beides am besten miteinander verbinden. Nachdem zu Beginn der Pandemie die Schulen geschlossen waren, blieben die Schulen seit dem vergangenen Frühjahr und auch in diesem Jahr offen. Und das ist eine richtige Entscheidung. Es war und ist auch richtig, die Präsenzpflicht beizubehalten, um den Kindern und Jugendlichen mit dem Schulbesuch Halt zu geben und soziale Kontakte zu ermöglichen. Gerade für Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien ist der Schulbesuch immens wichtig und deshalb verstehe ich auch nicht, warum die SPD die Forderung einiger weniger Eltern zur Aufhebung der Präsenzpflicht unterstützt.

Ich weiß, dass nicht alle Eltern mit unserem Kurs einverstanden sind, weil sie Angst davor haben, dass sich ihr Kind infiziert. Über die sozialen Netzwerke und per Mail erreichen uns Nachrichten von Eltern, die sich die Aufhebung der Präsenzpflicht wünschen und denen die Aufhebung der Masken- und Testpflicht zu schnell kommt. Andere Eltern wünschen sich für ihre Kinder, dass die Normalität in den Schulen möglichst schnell Einzug hält. Der Ton ist – auf beiden Seiten und gerade in den sozialen Netzwerken – manchmal sehr aggressiv und ich wünsche mir da mehr Sachlichkeit: Die wissenschaftliche Studienlage im In- und Ausland besagt ziemlich eindeutig, dass eine Corona-Infektion für die allermeisten Kinder und Jugendlichen ungefährlich ist. Für vulnerable Schüler*innen oder Schüler*innen, die mit vulnerablen Personen in einem Haushalt leben, gibt es die Möglichkeit zu Distanzunterricht. Und bei diesem sollen die Schüler*innen so gut wie möglich beim Lernen unterstützt werden. Dazu gibt es einen aktualisierten Leitfaden des Ministeriums, wie man datenschutzkonform beurlaubte Schüler*innen per Videokonferenzen in den Klassenraum holt. Hybridunterricht ist also möglich. Für den Distanzunterricht hat das Bildungsministerium einige Avatare angeschafft. Diese kleinen Roboter stehen im Klassenraum, haben eine eingebaute 360 Grad Kamera einen Lautsprecher und ein Mikrofon. Mit ihnen sind die Schüler*innen quasi im Klassenraum und können auch mit den anderen Schüler*innen interagieren. Ich finde, das ist eine tolle Möglichkeit für den Distanzunterricht, vor allem für Kinder und Jugendliche, die z.B. wegen einer Krebstherapie nicht in die Schule gehen können.

Wir wissen, dass beim Distanzunterricht in der Vergangenheit und auch jetzt noch einiges holprig läuft. Glasfaseranschluss, W-LAN, digitale Ausstattung der Schulen sind nur einige Stichwörter. Aber Schleswig-Holstein legt sich ins Zeug, um hier besser zu werden. Und wir sind, auch dank der Fortbildungsbereitschaft der Lehrkräfte in den letzten beiden Jahren schon deutlich weitergekommen. Für die Zukunft müssen wir digitale Formate im Unterricht und auch Möglichkeiten zum Distanzlernen in bestimmten Situationen erweitern. Das wird dann sicher in der nächsten Wahlperiode im Schulgesetz verankert werden.

Das für mich aktuell entscheidende Thema sind aber die psychosozialen Folgen der Pandemie für unsere Kinder und Jugendlichen. Die aktuelle COPSY-Studie des UKE hat zwar festgestellt, dass sich das psychische Wohlbefinden und die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen leicht verbessert hat, aber noch immer leiden mehr Kinder und Jugendliche unter psychischen Auffälligkeiten als vor der Pandemie. Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien sind besonders betroffen. In der Expert*innenanhörung des Sozialausschusses in der vergangenen Woche wurde sehr eindringlich darauf hingewiesen, dass wir hier intensiver unterstützen müssen. Frau Professorin Jauch-Chara beobachtet immer noch einen deutlich höheren Beratungsbedarf bei Kindern und Jugendlichen als vor der Pandemie. Was ich besonders erschreckend finde, ist die Verdoppelung der Kinder mit suizidalen Gedanken. Hier müssen wir mehr Unterstützung geben. Da sind die beiden von der Ministerin genannten Projekte ein guter Ansatz für Prävention und Frühintervention.

Wir brauchen darüber hinaus aber mehr Kinder- und Jugendtherapeut*innen und mehr Kassensitze, damit sie Praxen eröffnen dürfen. Auch die Familien brauchen zum Teil Unterstützung. An den beruflichen Schulen haben wir seit einigen Jahren Schulpsycholog*innen, die vor Ort arbeiten und beim Land angestellt sind. Die beruflichen Schulen sind damit sehr zufrieden. Gerade in der aktuellen Situation berichten auch sie von einem erhöhten Beratungsbedarf. Wir sollten überlegen, ob wir dieses Modell nicht auf die allgemeinbildenden Schulen übertragen. Wir könnten diese zusätzlichen Stellen für Schulpsycholog*innen beim Land einrichten oder aber den Schulpsycholog*innen der Kreise angliedern. Die fehlenden Kassensitze wären dann kein Problem.

Die psychosozialen Folgen der Pandemie werden uns noch einige Zeit begleiten. Dafür müssen wir Mittel zur Verfügung stellen. Auch der Bund hat im Koalitionsvertrag vereinbart, sich einzubringen. Das ist unbedingt wichtig, um den Kindern und Jugendlichen einen guten Weg raus aus der Pandemie zu ermöglichen.



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