Wir erwarten, dass eine echte Kooperation auf Augenhöhe vor allem mit dem Bildungsministerium und mit den beruflichen Schulen gelingt

Landtagsrede zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes (17. Juni 2020)

Dazu sagt die bildungspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein, Ines Strehlau:

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir beschließen heute ein buntes Paket an Schulgesetzänderungen. Meine Vorredner*innen haben sie benannt. Das Verbot der Gesichtsverhüllung an Schulen unterstützen wir Grüne. Insbesondere vor dem Hintergrund des Infektionsschutzes hätten wir uns aber eine Ergänzung der gesundheitlichen Gründe als Ausnahme im Gesetzestext gewünscht. Hier konnten wir in der Koalition leider keine Einigkeit herstellen. Der Ursprungsantrag beschäftigt sich mit der Errichtung des Schleswig-Holsteinischen Instituts für berufliche Bildung, kurz SHiBB.

Das Konzept des SHIBB ist eine grüne Idee. Wir haben es einstimmig in der letzten Wahlperiode auf den Weg gebracht. Allerdings hielten wir es für sachgerecht, es beim Bildungsministerium anzusiedeln, wo die beruflichen Schulen auch jetzt sind. Nun ist in den Koalitionsverhandlungen politisch beschlossen worden, dass das SHIBB beim Wirtschaftsministerium angesiedelt werden soll. Koalitionsverhandlungen sind eben ein Geben und ein Nehmen. Das SHIBB beim Wirtschaftsministerium sehen wir Grüne kritisch und ich möchte Ihnen erklären warum wir das so sehen.

„Die duale Ausbildung ist Deutschlands Erfolgsmodell.“ Ja, das ist sie und sie ist Kernstück der beruflichen Bildung. Aber warum ist sie so erfolgreich? Das System funktioniert, weil die Ausbildungsteile an beruflicher Schule und im Betrieb in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Eben eine duale Ausbildung. Dabei gibt es ein Spannungsverhältnis zwischen beiden Bereichen. Die beruflichen Schulen und RBZ, unter der Aufsicht des Bildungsministeriums, sehen neben der Vermittlung von fundiertem theoretischem Fachwissen ihren Anteil zum Beispiel auch darin, mit der Ausbildung allgemeinbildende Abschlüsse zu ermöglichen, so dass die Azubis vielleicht nach der Ausbildung studieren und nicht im Betrieb bleiben.

Die Betriebe, hier ist das Wirtschaftsministerium zuständig für die Aufsicht über den betrieblichen Teil der Ausbildung, fokussieren auf die Notwendigkeit, ihren Fachkräftebedarf zu decken. Aus ihrer Sicht völlig legitim. Wenn nun das SHIBB beim Wirtschaftsministerium angesiedelt wird, kommt die bisherige Balance aus dem Gleichgewicht. Der Fokus auf die duale Ausbildung wird stärker. Ein schnelles Fitmachen für die Bedarfe des Arbeitsmarktes steht im Zentrum und die Perspektive der beruflichen Schulen mit ihrem breiten Angebot verliert an Gewicht, so ist zumindest die Befürchtung einiger Akteur*innen – auch meine.

Bis jetzt wurden Beschlüsse zur beruflichen Bildung im Landtag oft einstimmig gefasst. Es wurde inhaltlich diskutiert. Mit der Zuordnung des SHIBB zum Wirtschaftsministerium hat sich das geändert. Das sehen wir an den Stellungnahmen zum Schulgesetz. Berufliche Bildung ist noch viel mehr als die duale Ausbildung. Berufliche Schulen mit ihren mehr als 90.000 Schüler*innen sind eine wichtige Säule in unserem Bildungssystem. Sie bieten an ihren sechs Schularten viele unterschiedliche Bildungsgänge an. Berufsvorbereitung, DaZ-Klassen, Erzieher*in, Pflegeassistenz, kaufmännische Assistent*innen und viele mehr. Schüler*innen fühlen sich ernst genommen, unterstützt und können neu durchstarten. Es gibt quasi keine Sackgassen.

Außerdem sind die beruflichen Schulen ein wichtiges Bildungszentrum in den Regionen. Eine große Baustelle der beruflichen Bildung ist der Übergang von der Schule in den Beruf. Seit vielen Jahren haben wir etwa 7000 Schüler*innen, die nicht direkt in eine Ausbildung gehen. Hier müssen wir ran. Aber hier müssen die Ministerien gemeinsam ran. Je früher wir mit guter Bildung beginnen, desto weniger Jugendliche werden wir im Übergangsbereich haben. Wir müssen Bildung ganzheitlich sehen, von der Kita bis zur beruflichen Schule und Hochschule.

Damit gute Bildung gelingt, muss es zwingend eine intensive Kooperation zwischen den Ministerien geben. Die Idee des SHIBB ist entstanden, weil diese Zusammenarbeit nicht funktioniert hat. Die Lehrkräftestellen müssen nach den Bedarfen flexibel verteilt werden. Das wird in Zukunft leider eine große Hürde, weil dann das Personal an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in zwei Ministerien verwaltet wird. Es darf da keine Beharrungskräfte zu Lasten des Bildungserfolgs geben.

Dem Kuratorium, das eine beratende Funktion hat, wird eine zentrale Rolle zukommen. Die Mitglieder haben die nicht einfache Aufgabe, die Ausgewogenheit der Konzepte und Vorhaben des SHIBB zu beurteilen und einen Ausgleich im Spannungsfeld der unterschiedlichen Interessen zu finden.

Herr Minister Buchholz, wir erwarten von Ihnen, dass eine echte Kooperation auf Augenhöhe mit den anderen Ministerien, vor allem mit dem Bildungsministerium und mit den beruflichen Schulen gelingt, dass die berufliche Bildung in ihrer Vielfalt und in der Fläche erhalten bleibt und im Sinne der Jugendlichen und der Betriebe gestärkt wird. Und wir erwarten, dass es keine Privatisierung der beruflichen Bildung durch Auslagerung von Bildungsgängen gibt. Es wird nicht reichen, die Stärkung der beruflichen Bildung in Reden zu postulieren. Wir er-warten, dass Sie dies auch in Ihren Konzepten festhalten. Und noch viel wichtiger, dass Sie diese auch umsetzen. ***

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