Wir brauchen qualitativ hochwertige Ganztagsbildungsangebote

Sehr geehrte Damen und Herren,
die gute Nachricht vorweg: der Streit zwischen Bund und Ländern über die Finanzierung des Ganztagsausbaus konnte vor zwei Wochen im Vermittlungsausschuss beigelegt werden. Jetzt ist klar: Der Rechtsanspruch auf Ganztag kommt. Das bedeutet, dass jedes Kind, das nach dem 1. August 2026 eingeschult wird, in den ersten vier Schuljahren Anspruch auf Ganztagsbetreuung haben wird. Die Betreuungslücke, die für viele Eltern nach dem Wechsel von der Kita in die Grundschule entstand, wird damit endlich geschlossen.

Die nicht ganz so gute Nachricht: Trotz des Verhandlungserfolgs unserer Landesregierung im Vermittlungsausschuss ist das, was da an finanziellen Aufgaben auf uns als Land zukommt, kein Pappenstiel. Die Landesregierung schätzt den einmaligen Gesamtbedarf für investive Maßnahmen auf rund 310 Millionen Euro. Dazu kommen die strukturellen Kosten für die Ganztagsangebote, die Personalkosten. Hier kalkuliert die Landesregierung mit laufenden Kosten in Höhe von rund 300 Millionen Euro. Jährlich. Da wird eine große Finanzierungslücke bleiben, obwohl der Bund bei den Betriebskosten noch eine Schippe draufgelegt hat und jetzt gut 40 Millionen Euro in Schleswig-Holstein ankommen werden.

Um den Finanzbedarf für das Land möglichst valide kalkulieren zu können, bitten wir die Landesregierung um eine Bestandsaufnahme der bestehenden Ganztags- und Betreuungsangebote. Die bisher prognostizierten Bedarfe sind allerdings in ihrer Tendenz schon eindeutig: Die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung wird für das Land finanziell ein echter Kraftakt.

Trotzdem bin ich – sind wir – der Meinung, dass das Geld richtig investiert ist, schließlich geht es um Ausgaben für Bildung. Und ein flächendeckendes Ganztagsangebot ist ein großer Schritt hin zu mehr Bildungsgerechtigkeit, denn wir wissen aus der Bildungsforschung, dass gute Schul- und Ganztagsangebote ungleiche Startchancen von Kindern ausgleichen können. Damit das gelingt, reicht es allerding nicht aus, lediglich die Betreuungszeiten auszuweiten. Ich finde den Titel des Gesetzes, der vom Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung spricht, zu eingeengt.
Wir brauchen qualitativ hochwertige Betreuungs- und Bildungsangebote am Nachmittag, die den Kindern echte Lern- und Entwicklungschancen bieten. Die Fragen der Qualität müssen deshalb von Anfang an mitgedacht werden.

Aus diesem Grund bitten wir die Landesregierung, mit allen relevanten Akteur*innen einen landesweiten Dialog für die Ausgestaltung der zusätzlichen Angebote durchzuführen. Dieser Dialog ist auch vor dem Hintergrund erforderlich, dass wir als Bundesland bei der Einrichtung von zusätzlichen Angeboten einiges zu tun haben werden, um den Rechtsanspruch erfüllen zu können.

Bei den Ganztagsquoten haben wir als Bundesland bereits jetzt erheblichen Aufholbedarf. 2019 lang die Ganztagsquote bei den Kindern im Grundschulalter bei uns in Schleswig-Holstein lediglich bei 22 Prozent – während im Bundesdurchschnitt doppelt so viele Kinder Ganztagsangebote wahrnehmen, nämlich 47 Prozent.

Wir müssen den Rechtsanspruch auf Ganztag nutzen, um Schule weiterzuentwickeln. Die Schulen müssen zu Ganztagsschulen werden. Mit der Einbindung vieler Akteur*innen außerhalb von Schule - Sportvereine, Musikschulen, Theatergruppen und viele mehr - bereichern wir das Schulleben. Die Verzahnung von Vor- und Nachmittag muss besser werden. Vormittags lernen und nachmittags spielen wird den Bedürfnissen der Schüler*innen und dem Bildungsanspruch nicht gerecht.

Die Konzeptentwicklung braucht Zeit – über diese Wahlperiode hinaus, liebe SPD und lieber SSW. Und wir machen einen Schritt nach dem anderen. Zuerst setzen wir den Rechtsanspruch wie vorgesehen in der Grundschule um. Erst in einem weiteren Schritt werden die weiterführenden Schulen kommen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

Für uns ist klar: Wenn Kinder den ganzen Tag in der Schule oder im Hort verbringen und dort eben nicht nur betreut werden sollen, dann geht dies nicht ohne ausreichendes und gut qualifiziertes Personal. Vor dem Hintergrund des schon jetzt bestehenden Fachkräftemangels ist es ein Armutszeugnis, dass sich der Bund bei der Fachkräfte-Frage wegduckt. Nach einem Jahr Unterstützung der PiA-Ausbildung für Erzieher*innen hat sich der Bund sang- und klanglos daraus zurückgezogen. Da erwarten wir mehr von einer zukünftigen Bundesregierung.

Die ungelöste Fachkräfte-Frage, und dass die Finanzierungsfrage quasi erst in letzter Minute im Vermittlungsausschuss gelöst werden konnte, zeigt für mich wieder einmal, wie problematisch das Kooperationsverbot ist, und dass die Erweiterung des Artikel 104c eben nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist. Bildung muss in meinen Augen viel stärker als gesamtstaatliche Aufgabe zwischen Bund und Ländern gedacht werden. Eine weitere Aufgabe einer neuen Bundesregierung.
***



zurück

mehr Wald für Schleswig-Holstein

Parlamentarische Initiativen

GRUENE.DE News

<![CDATA[Neues]]>